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Föiflyber-Uhr 1991

1991 war es 700 Jahre her, dass auf der Rütliwiese durch die Vertreter der Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden der Rütlischwur geleistet wurde. Dem August 1291, Datum der Unterzeichnung des Bundesbriefs, wurde mangels genauer Überlieferung der legendäre Gründungsakt der Eidgenossenschaft zugeordnet. Im Rütlischwur haben sich bekanntlich die Vertreter der Urkantone den gegenseitigen Beistand geschworen. «Verewigt» findet sich dieser für das Werden der Schweiz in ihrer heutigen Form historische Akt unter anderem auch an der Stedtli-Seite des Törli in Liestal, einem Wahrzeichen unseres Kantons Basel-Landschaft. Diese Fassadenmalerei stammt aus dem Jahr 1949, seit 2019 frisch renoviert leuchtend.

Was hat das jetzt mit der Föiflyber-Uhr zu tun? Und was ist damit überhaupt gemeint? Zum Jubiläum 700 Jahre Eidgenossenschaft wurden diverse Objekte auf den Markt gebracht, darunter auch Gedenkmünzen. Eine originelle Idee hatte auf dieses Jubiläum hin der Reigoldswiler Goldschmied und spätere Wirt des Gasthofs Ryfenstein, Roland Tschopp. Und aus dieser Idee wurde die Föiflyber-Uhr. Darauf muss man erst einmal kommen, und wenn man darauf gekommen ist, muss man das erst einmal herstellen.

Abbildung 1: Die Föiflyber-Uhr (Version mit Silberumrandung) ist ein echter «Hingucker»: Sie besteht aus einem Fünfliber der Prägung 1991, der aufgeschnitten und mit einem präzis laufenden Uhrwerk versehen wurde. (Foto ©JoëL Plattner)

Der Autor dieses Beitrags hat selbst von seinem Vater eine solche Uhr geschenkt erhalten, die er in Ehren hält und zu besonderen Anlässen trägt. Er hat sich mit fünf gwundrigen Fragen an den seinerzeitigen Erfinder und Produzenten gewandt und von Tschopp Roland (oder mit Dorfnamen «Ryfestai Roli») bereitwillig Auskunft erhalten.

Wie ist die Idee zur Föiflyber-Uhr zustande gekommen?
"Im Laufe meiner Tätigkeit als Goldschmied haben ich und mein Freund, ein Uhrmacher, für den Amerikaner Dan Blocker (Älteren noch bekannt als «Hoss» aus der TV-Serie Bonanza) eine Gold-Dollar-Uhr hergestellt. Diese wurde später in den USA kopiert. Die Idee zu einem zum Jubiläum 700 Jahre Eidgenossenschaft passenden Gadget für unsere im Föiflyber-Tal gelegene Gemeinde war damit geboren."

Welche Herausforderungen sind bei der Produktion zu überwinden gewesen?
"Wie man sich wohl unschwer denken kann, ist das Bearbeiten eines Silber-Fünflibers zu einem Uhrengehäuse mit Bandhalterung und Glasrand technisch heikel. Speziell das Schaffen des nötigen Hohlkörpers für den Einbau des Uhrwerks bedingt entsprechendes Gerät und Geschick. Das Uhrengehäuse und die Bandhalterung mussten dazu passend konzipiert werden. Das verwendete Gehäuse besteht aus Messing vergoldet bzw. Nickel.
In den Fünfliber wurde ein mechanisches, extraflaches ETA-Quarz-Analog-Werk eingebaut. Zifferblatt und Uhrenboden bestehen aus echten Fünfliber-Münzen der Prägung 1991."

Brauchte es spezielle Bewilligungen, um diese Uhr zu produzieren?
"Da wir die Uhr unter Verwendung von Original-Münzen kreierten, musste die eidgenössische Münzwerkstätte eine spezielle Bewilligung erteilen. Wir «vernichteten» schliesslich offizielle Münzen, die dadurch dem Geldkreislauf entzogen wurden."

Wie viele Exemplare dieser Uhr wurden angefertigt?
"Die angefertigte Stückzahl beträgt ca. 6’000 Exemplare. Zudem wurden sechs Prototypen mit Silbermünzen angefertigt."

Ist diese Uhr heute noch erhältlich und falls ja, wo und zu welchem Preis?
"Diese Uhr ist grundsätzlich ausverkauft. Manchmal erhalte ich noch Exemplare, die zurückgebracht werden, oft noch nie getragen wurden und dadurch in neuwertigem Zustand sind."

Abbildung 2: Vom Prototyp zum fertigen Produkt (Foto ©JoëL Plattner)

Noch dies sei ergänzt: Das Hintere Frenkental, an dessen Anfang unser Dorf liegt, wird ja auch Föiflyber-Tal genannt. Längst nicht mehr allen Reigoldswiler Einwohnerinnen und Einwohnern bzw. denjenigen, die diesen Begriff vernehmen, ist bekannt, woher dieser eigentlich stammt. Auf diese Frage angesprochen gibt Rémy Suter als «wandelndes historisches Lexikon» zur Baselbieter Geschichte folgende Auskünfte und bestätigt das beim Autor zu Teilen bestehende Vorwissen: Eine Fährte zur Erklärung dieser Bezeichnung geht in die Richtung, dass Fünfliber als Schmiergeld verwendet wurden, um die Reigoldswiler als Basel-Treue gegen die 1833 erfolgte Kantonstrennung einzunehmen. Wohl richtiger allerdings ist die Begriffsherkunft, dass bei der Einführung des Papiergelds bei den Posamentern im Hinteren Frenkental eine grosse Skepsis vorherrschte: Dieses papierene Zahlungsmittel war nicht nur neu und unbekannt, es verkörperte auch nicht wie der Fünfliber seinen eigenen Wert, und es war vergänglich (z.B. bei Feuer und Wasser), konnte einfacher gestohlen werden und überhaupt – Nachteile noch und noch. Die Reigoldswiler wollten dieses Papiergeld nicht annehmen und wären zu diesem Zweck auch in den Streik getreten. Die Basler Unternehmer lenkten ein und packten inskünftig Föiflyber ein, wenn sie ins Hintere Frenkental, ab dieser Zeit und bis heute das Föiflyber-Tal, aufgebrochen sind oder den Posamentern ihren Lohn zahlten.

Interessante Details zum Fünfliber: Eine Rolle derselben nannte man einen «Zapfen», woher auch der Ausdruck stammt, dass jemand einen «rechten Zapfen» erhält. Eine ganz andere Bewandtnis hat es dann aber mit dem «Tannzapfesuuger», stammt doch dieser Übername für die Reigoldwiler daher, dass in Zeiten grosser Armut und Not gar Tannzapfen gesaugt wurden, um von darin enthaltenen Inhaltsstoffen (Harz, Öl, …) etwas Nährendes und Gesundes in den Magen zu bekommen.

Zurück zum Fünfliber und der Posamenterei: Es ist überliefert, dass zum Schutz des Posamenter-Lohns, der neben der Bauernwirtschaft gerade auch für schwierige Zeiten eine besonders wichtige Rolle gespielt hat, die Fünfliber in die tragenden Eckrohre des Webstuhls versenkt wurden. Dadurch war garantiert, dass dieses Geld weder gestohlen werden konnte noch von den Eigentümern ohne grosse Not hervorgenommen wurde. Denn dazu hätte der Webstuhl abgebaut und hernach umständlich wieder eingerichtet werden müssen, eine rechte «Büez»…

Dem Autor gefallen der Begriff Föiflyber-Tal für unser Heimattal und die Überlegungen, die dazu geführt haben, sehr gut. Nicht alles was modern ist, nicht jede Modeströmung muss gleich mitgemacht werden – Beispiele zu damit verbundenen Irrungen und Wirrungen kennt jede und jeder. Heute ist das Notengeld auch im Föiflyber-Tal ein anerkanntes Zahlungsmittel, und die Frage kann getrost offenbleiben, welchen Namen unser Tal später bei einem vergleichbaren Übergang vom Notengeld zum Plastikgeld oder zu Twint, Bitcoins oder dergleichen erhalten hätte…

Beitrag Heimatkunde Reigoldswil zum Thema Merkwürdigkeiten -  Föiflyber-Uhr 1991, von Roland Plattner-Steinmann, verfasst am 24.11.2022