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Am Bergli (Kirchenorgelrevision)

«Jetzt verschwindest du ja hinter den sieben Bergen», hiess es, als ich 2012 von Brüssel nach Reigoldswil umzog. Das Dorf im Tal der Hinteren Frenke wirkt idyllisch und geruhsam. Doch ist weder die Ortschaft noch ihre Umgebung ein weltfernes Zwergenreich, auch wenn vom Bergliweg aus tatsächlich mindestens sieben Bergli zu sehen sind. Eines davon sieht aus wie eine Pyramide, doch sobald man versucht, sich dem tannengrünen Dreieck zu nähern, rückt es wie ein märchenhaftes Trugbild in immer weitere Fernen. Verzauberte Schneewittchen wären wohl leichter zu finden gewesen als jenes geometrisch vollkommene Bergli.  

Doch galt mein Hauptinteresse ohnehin der Kirchenorgel. Die 1951 von dem Zürcher Orgelbauer Rudolf Ziegler-Heberlein erbaute zweimanualige, mit einem Pedal und (seit 1980 mit) 19 Registern ausgestattete Orgel in der reformierten Dorfkirche klang überraschend gut und war spielbar, jedoch nur mit enormem Kraftaufwand. Nach längerer Beratung im Kreis der Kirchenpflege entschied man sich Anfang 2016 für eine umfassende Revision der Orgel. 

Von den eingeholten Offerten wurde das Angebot der Orgelbaufirma Klahre (Basel) angenommen, hatte sich diese Firma doch bereits bei der zwei Jahre vorher durchgeführten Revision der kleinen Pfeifenorgel in der Kirche von Titterten hervorragend bewährt. Wie Michael Klahre und sein Mitarbeiter Achim Reichmann feststellten, wies der Blasbalg Risse auf und waren viele Lederteilchen sowie Filzringe abgenutzt. Daher war mit Kosten zu rechnen, die das Budget der Kirchgemeinde übersteigen würden. Für das Fundraising und den Erfolg des Projekts war die Retraite der Kirchenpflege vom 23. Oktober 2016 entscheidend. Ein Brainstorming ergab innerhalb weniger Minuten zugkräftige Ideen für die Motivierung weiter Kreise der Bevölkerung für das Anliegen der Orgelrevision. Es wurde beschlossen, nicht nur Banken und den Swisslos-Fonds um Spenden zu bitten, sondern eigenhändig einen Stand am lokalen Weihnachtsmarkt einzurichten, an dem mit Weihnachtsgebäck und Informationen für die Orgelrevision geworben und gesammelt werden konnte. Alle Haushaltungen sollten informative farbige Flyer erhalten; für Spenden würde man einen Ehrenplatz am festlichen Einweihungskonzert erhalten. 

Die Spendenbereitschaft der Dorfbevölkerung war gross. Mit der Kirchenorgel, die bei der Taufe, der Konfirmation und der Hochzeitsfeier zur Freude und bei Todesfällen zum Trost erklingt, fühlen sich viele Menschen verbunden – auch kirchenferne Personen und Angehörige anderer Gemeinschaften. Nur die angeschriebenen Banken schickten einen abschlägigen Bescheid. Der Swisslos-Fonds und die beiden politischen Gemeinden hingegen gewährten grosszügige Beiträge.  


Grosse und fachkundige Zerlegung der Kirchenorgel 

Die Basellandschaftliche Zeitung veröffentlichte einen illustrierten Bericht über die Orgelrevision und den Weihnachtsmarkt, an dem sogar Änisbrötli nach einem handgeschnitzten Model des Pfarrers und Orgelpfeifen aus Waffelteig von einem Backeisen der Pfarrerin offeriert wurden. 

Strahlende Gesichter am Weihnachtsmarkt 2016,  Kerstin Bonk und Andreas Olbrich in Verkaufslaune. 

Der Swisslos-Fonds schickte einen TV-Reporter nach Reigoldswil, der in der eiskalten Kirche mit einem Tontechniker und fahrbarer Kamera fünf Stunden lang Ton- und Bildaufnahmen für DRS 1 machte. Das Ergebnis – ein kurzer Videoclip über die Orgelrevision in Reigoldswil – wurde am 5. April 2017 zur besten abendlichen Sendezeit ausgestrahlt. Mit einem Festkonzert des Tonmeisters und Organisten Oren Kirschenbaum, der bei der Programmgestaltung auf Wünsche besonders grosszügiger Spender einging und im Laufe des Abends sämtliche Orgelregister und auch den neuen, durch eine anonyme Spende finanzierten Tremulanten hören liess, wurde die Orgel am 28. April 2017 wieder offiziell eingeweiht.  

Dies ist kein Zaubermärchen, sondern eine wahre Geschichte! Denn «dört äne am Bärgli» wohnen Menschen mit Ideen, warmem Herzen und einer Tatkraft, die mitten im Alltag Wunder ermöglicht… 

Beitrag Heimatkunde Reigoldswil zum Thema Bergli / Kirchenorgelrevision, verfasst von Heidy Margrit Müller im Herbst 2023