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Erinnerungen von Metzger Reinharts Marianne 

(festgehalten von H.R. Sutter im Januar 2022) 

Mein Urgrossvater war der Dorfmetzger, mein Vater hat Reinhart geheissen und so ist der Dorfname «Metzger Reinhart» entstanden.  

Als viertes von sechs Kindern bin ich 1934 in der Lehenmatte (gegenüber der Gemeinschaftspraxis) geboren. Der Tag meiner Geburt war ein wichtiger Tag im Dorf, denn an diesem Tag seien die «Konsumbüechli» ausbezahlt worden (man erhielt bei jedem Einkauf einen Stempel und es gab eine Rückerstattung). Die älteren Schwestern mussten das Geld holen und waren überrascht als sie nach Hause kamen und ein Baby da war. 

Vater hatte einen Bauernhof mit vier Kühen, einem Pferd und zwei Schweinen. Er war auch Baumwärter der Gemeinde. Als Baumwärter hat er jeden Baum gekannt und überall Bäume geschnitten oder veredelt. Aber schon damals ging es nicht immer friedlich zu. So waren einmal in der Bergmatte alle Schosse eines Baumes abgeschnitten, was ihn tief verletzt hat. Regelmässig gab er Baumschnittkurse in der Sekundarschule. Alle 10 Jahre musste er die Bäume im Gemeindebann zählen (der Schreibende hat ihm in den 60er-Jahren dabei assistiert). 

In den Kindergarten ging ich bei Schwester Winifred. Der Kindergarten war im Unterbiel 7, wo jetzt der Computershop ist.  

Ich ging in die Primarschule und hatte eigentlich immer gute Noten. Aber mein Vater hat mir schon früh beigebracht, dass seine Kinder nicht in die Sekundarschule zu gehen hätten. Die gleichaltrigen Töchter des Arztes und des Lehrers durften jedoch…  

Überhaupt war die Schule nicht so wichtig. Einmal hat mein Vater gesagt, ich solle nicht zur Schule gehen, sondern ihm helfen, ein Rind zu holen, welches er in der Limmern, Mümliswil, gekauft hatte – eine mehrstündige Wanderung. Wir haben das Rind über den Vogelberg und den Katzensteg getrieben, vor allem der Katzensteg hat ihm überhaupt nicht gepasst. 

Vater hatte zuoberst auf der Bergmatte einen Weidteil. Wenn er dort war, kam er zum Essen nicht nach Hause, es war zu weit. Ich musste ihm daher um halb zwölf, nachdem die Schule fertig war, die Suppe bringen. Um halb zwei musste ich wieder in der Schule sein – für mein Mittagessen hat’s natürlich nicht gereicht.  

Es gab damals noch nicht so viele Autos wie heute. Fritz Fontana hatte eines von vielleicht vier Autos in Reigoldswil. Am Morgen, bevor ich in die Schule ging, hat er mich jeweils gerufen, um ihm das Auto anzustossen. 

Vater hat oft von einem Hochwasser erzählt. Die Frenke sei im Unterbiel über die Ufer getreten und man habe die Fische in den Gärten herumliegen sehen. Das wird wohl in Zukunft nicht mehr passieren… 

Als ich 16 oder 17 Jahre alt war, gingen wir an einem Sonntagnachmittag zu dritt auf die Wasserfalle zum Tanz. Niemand durfte dies erfahren – die Eltern hätten es nicht akzeptiert. Mit den Tanzschuhen, den Schuhen also, welche ich zur Konfirmation bekommen hatte, und dem Konfirmationsrock sind wir auf die Wasserfalle hochgestiegen, es gab ja noch keine Bahn. Dort spielte ein Handörgeler vom Bogental. Wir mussten darauf achten, dass wir um 18 Uhr wieder zuhause und gut durchgelüftet waren, damit uns der Rauchgeruch nicht verriet.  

Einmal wollten wir auf den Vogelberg, wo ebenfalls Tanz war. In derselben Montur gingen wir über den Katzensteg, wo wir einem Lauwiler begegneten, der uns eine Höhle zeigen wollte. Wir sind ihm in unseren Tanzschuhen also gefolgt. Er selbst ist dabei gestolpert und ziemlich weit runtergerutscht. Wir gingen auf den Vogelberg um Hilfe zu holen. Er hatte ein Bein gebrochen, weshalb sie ihn mit einem Graswagen nach Lauwil und von dort ins Spital gebracht haben. Später hat er sich beklagt, dass wir ihn nie besucht hätten. Unser Tanzausflug ist dabei natürlich aufgeflogen.  

Bald nach der Schule trat ich dem Gemischten Chor Reigoldswil bei – eine der wenigen Freizeitbeschäftigungen, denen man nachgehen konnte. Wir waren 60 bis 70 Mitglieder. Geprobt haben wir einmal wöchentlich jeweils am Dienstagabend. Unser Dirigent war Primarlehrer Erwin Abt. (Foto) 

Gerne hätte ich Schneiderin gelernt. Aber ich musste in die Fabrik und so mithelfen, Geld zu verdienen. Nach einigen Jahren in der «Hanro» ging ich in die «Lapanouse», eine heute nicht mehr existierende Fabrik unterhalb des Primarschulhauses und habe Uhren gemacht. Pro Stunde verdiente ich 80 Rappen. Ich habe in der Reglage gearbeitet (Feinregulierung der Uhr). Arbeiten mussten wir von 7 bis 12 Uhr und von 13 bis 18 Uhr, am Samstag von 7 bis 12 Uhr. Alle zwei Wochen habe ich den Lohn in einer Papiertüte erhalten. 10% davon durfte ich als Sackgeld behalten, obwohl ich damals schon etwa 25 Jahre alt war. Dafür habe ich, als ich geheiratet habe, einen rechten Batzen gekriegt!

Vlnr: Dootsch Walter, Metzger Reinhart, Roth Max, evt. Pauls Pauli, Beginn 60er Jahre 

Gemischter Chor Reigoldswil ca. 1950 an einem Gesangsfest in Arboldswil, 60 – 70 Mitglieder, Dirigent Erwin Abt, Primarlehrer 

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