Newsletter-Anmeldung!
Sie möchten informiert werden, wenn neue Beiträge eingestellt werden? Dann melden Sie sich hier für unseren Newsletter an!
Interview mit Drohnenpilot Andreas Kofler
Andreas Kofler engagiert sich seit 2019 als Drohnenpilot in der Jagdgesellschaft Bärengraben. Zusammen mit den Reigoldswiler Jägern rettet er Rehkitze vor dem Mähtod. Er berichtet über die schönen und die unschönen Momente vom Rehkitzschutz sowie über seine Eindrücke von der Reigoldswiler Jagd.
Yannick Steffen: Vor deiner Tätigkeit als Drohnenpilot hattest du kaum Bezug zur Jagd und zur Landwirtschaft. Wie hast du den Weg zum Rehkitzschutz gefunden?
Andreas Kofler: Auf einem meiner Hundespaziergänge am Holzenberg bin ich wieder einmal Dominik Mauchle aus Ziefen begegnet. Es muss wohl Frühjahr 2019 gewesen sein, als er mir voller Begeisterung erzählte, dass er eine Drohne gekauft habe und in die Rehkitz-Rettung in Ziefen eingestiegen sei. In allen Einzelheiten hat er mir erklärt, wie das funktioniert, dass diese Drohne mit einer Wärmebildkamera ausgerüstet und die zurzeit wohl beste Methode sei, Rehkitze in den abzumähenden Feldern zu finden und mit Einsatz von Rettern auf zu schützen und so vor einem möglichen Vermähen zu bewahren. Dass es dabei nicht «nur» um das Bewahren der Rehkitze vor einem qualvollen Tod, sondern auch um das Vermeiden von weiterem Tierleid und wirtschaftlichem Schaden geht, weil die aus Kadavern entstehenden Botulismus-Bakterien zur tödlichen Gefahr fürs Vieh werden können, war mir bis dahin gar nicht bewusst. Alles, was er mir an diesem Tag erzählt hat, hat mich so begeistert, dass ich ihm gesagt habe: «Dominik, jetzt hast du mich angesteckt, ich denke das möchte ich auch machen.»
Er hat mich dann bei der Wahl der Drohne, Ausrüstung und Zubehör massgeblich beraten und in den Rehkitz-Schutz eingeführt und ausgebildet. Auf der Suche nach einer Gemeinde, in der ich als Rehkitzsucher künftig tätig sein könnte, hat er, Dominik ist auch Jäger, Kontakte zur Jagdgesellschaft Bärengraben geknüpft, und seit einem unvergesslichen, gegenseitigen Kennlernen mit Hans Probst, Yannick Steffen und Dominik Mauchle bei Bratwürsten vom Grill am Lucherenplatz bin ich nun seit dem Jahr 2020 zusammen mit den Jägern von Reigoldswil im Rehkitzschutz engagiert. Dominik Mauchle war wohl der erste Drohnenpilot im Kanton Baselland, der die zu mähenden Felder mit einer im Vorfeld programmierten Flugroute systematisch und lückenlos abgesucht hat - und ich somit der zweite. Übrigens spreche ich lieber vom Rehkitzschutz (RkS) wie von der Rehkitzrettung.
Das Suchen und Schützen der Rehkitze findet vorwiegend in den frühen Morgenstunden vor dem Mähen statt. Wie läuft so ein Morgen ab?
Die Landwirte melden am Vorabend den zuständigen Jägern der Jagdgesellschaft, welches Feld oder welche Felder sie am nächsten Tag mähen wollen. Die Jäger melden sie mir dann telefonisch. Habe ich dann Infos für den Folgetag, mache ich mir Gedanken, in welcher Reihenfolge sie abgeflogen werden sollen, damit die Fahrwege möglichst kurz sind und ich bezüglich des Sonnenstands möglichst früh auf den abzusuchenden Feldern bin. Zunehmende Tageswärme macht es schwieriger, Kitze auf dem Wärmebild zu entdecken: Je kleiner der Temperaturunterschied zwischen dem immer etwa gleich warmen Kitz und dem durch die zunehmende Tagestemperatur immer wärmer werdenden Feld, umso undeutlicher wird das angezeigte Signal. Aus diesem Grund starten wir auch früh am Morgen, in der Regel um fünf Uhr. Nur wenn wenige Felder abzusuchen sind, kann der Start auch etwas später sein. Ich suche noch einen, evt. zwei Retter, in der Regel sind das Jäger von der Jagdgesellschaft, vereinbare mit ihnen Treffpunkt und Zeit und versuche möglichst früh schlafen zu gehen.
Um 4:00 Uhr früh stehe ich auf und belade das Auto mit der notwendigen Ausrüstung. Gleichzeitig beschaffen die Retter Harassen und Sicherungsstecken zum Schutz der Kitze. Wir treffen uns dann um 5 Uhr und nach einer kurzen Einsatzbesprechung fahren wir zum ersten Feld. Dort angekommen, wird die Drohne vorbereitet, d.h. die Flugroute wird auf den Kopter hochgeladen und gestartet. Die Drohne fliegt nun selbständig auf die vorgesehene Höhe, in der Regel 70 m über Boden, und folgt der Route über dem Feld. So wird sichergestellt, dass jeder Quadratmeter des Feldes abgesucht wird. Auf separaten Monitoren mit Livebild der Wärmebildkamera wird dann nach Kitzen gesucht. Die Kitze sind im Wärmebild als heller, kleiner Kreis zu erkennen. Wird dann eines entdeckt, unterbreche ich die Vorwärtsbewegung und die Drohne verharrt schwebend über dem Kitz. Der Retter geht dann, ausgerüstet mit einer Harasse und Sicherungsstecken in Richtung der Drohne. Sobald ich den Retter auf dem Wärmebild erkenne, dirigiere ich ihn mit Handy oder Sprechfunk zum im hohen Gras liegenden Rehkitz. Er nähert sich ihm vorsichtig und sobald er nahe genug ist, deckt er es mit der mitgeführten Harasse ab und sichert sie mit den Stecken. Damit wird vermieden, dass das Kitz den Platz wechselt, oder vielleicht ein hungriger Räuber das junge Tier holen kommt. Ist das Kitz gesichert, wird der Flug fortgesetzt und wenn keine weiteren Kitze mehr gefunden werden, gelandet. Oft sind noch ein zweites, sogar ein drittes Kitz im Feld. Diese werden dann auch wie beschrieben gesichert. Die Drohne und alles Material werden wieder ins Auto verladen. Währenddessen meldet sich der Retter beim Bewirtschafter und teilt ihm mit, dass wir Kitze gefunden und gesichert haben und wo im Feld sie liegen. Es wird dann auch abgesprochen, ob Landwirt oder Jäger das Kitz nach dem Mähen wieder befreit. Ist alles eingeladen, geht die Fahrt weiter zum nächsten Feld und der ganze Ablauf startet von neuem. Wir versuchen dabei effizient und konzentriert zu arbeiten, um so lange wie möglich von den kühlen Morgentemperaturen profitieren und alle gemeldeten Felder absuchen zu können. Erfolgreicher Rehkitzschutz funktioniert nur im Team mit Bewirtschafter, Drohnenpilot und Retter. Die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten ist sehr gut und erfolgreich in Reigoldswil.
Kurzfilm Rehkitz-Fund von Yannick Steffen: https://heimatkunde-reigoldswil.ch/media/Videos/Jagt/Rehkitzschutz.MP4
Im Verlauf des Morgens wird dann das abgesuchte Feld vom Bauer gemäht. Da er jetzt weiss, dass sich ein abgedecktes Kitz im Feld befindet, mäht er um die Harasse herum und nimmt sie, wenn so abgesprochen, vom Kitz wieder weg. Später, wenn alles ruhig ist, holt die Rehgeiss ihr Kitz oder ihre Kitze ab und geht mit ihnen zurück in den Wald.
Sobald ich dann wieder zu Hause bin, lade ich alle Drohnen-Akkus, die der Monitore und der weiteren Geräten auf. Es bleibt dann noch, alle vom Flugtag gesammelten Daten in die Statistiken einzutragen.
Andreas Kofler mit der zum Suchen der Kitze benötigten Ausrüstung (Foto: Andreas Kofler)
Was sind die grössten Herausforderungen?
Für mich sind die grössten Herausforderungen sicher das ungewohnt frühe Aufstehen am Morgen. Die geeignetste und effizienteste Reihenfolge, in der die Felder abgeflogen werden sollen, ist meistens nicht einfach zu finden. Fahrzeiten, Lage des Felds und Sonnenstand sind wesentliche Faktoren. Oft müssen daher Kompromisse eingegangen werden. Alle gemeldeten Felder sollen abgesucht und die Kitze trotz zunehmender Temperaturen gefunden werden. Es ist auch nicht einfach, während der ganzen Suchflüge die Konzentration aufrechtzuhalten. Es ist eine grosse mentale Herausforderung, ohne sich dabei ablenken zu lassen, in die doch recht kleinen Wärmebildmonitore zu blicken, um keine Kitze zu übersehen.
Diese systematische Absuche der Felder mit der beschriebenen Ausrüstung ist zurzeit wohl eine der besten miliztauglichen Methoden, Rehkitze zu suchen und vor dem Vermähen zu schützen. Dabei sind auch der noch vertretbare finanzielle und zeitliche Aufwand nicht zu unterschätzende Rahmenbedingungen. Aber auch diese Methode garantiert keinen hundertprozentigen Erfolg. Ein im Feld liegendes Kitz kann schlichtweg übersehen werden. Auch kann es unter einem Baum, oder unter einer Hecke liegen und so für die Wärmebildkamera unsichtbar bleiben. Ist die Zeitspanne zwischen Absuchen und Mähen zu gross, könnte, von allen unbemerkt, die Rehgeiss ihr Kitz in der Zwischenzeit ins hohe Gras setzen.
Welches sind die schönen und die weniger schönen Momente zum Schutz der Rehkitze?
Das frühe Aufstehen wird entschädigt durch die wunderbaren Sonnenaufgänge, die wir erleben dürfen, das fast ohrenbetäubende Begrüssen des neuen Tages durch die vielen Vögel und der Frieden, der über allem liegt. Absolut unvergessen bleibt der Moment, als ich beim ersten gefundenen Kitz mit den Rettern zum Tier mitgegangen bin. Das kleine, zusammengerollte Rehlein im hohen Gras haben wir erst gesehen, als wir ungefähr einen halben Meter von ihm entfernt waren. Als ich zum ersten Mal aus dieser Nähe einem Rehkitz in die Augen schauen durfte, hat sich das Herz mir weit, weit geöffnet. Dies alles und die Überzeugung, etwas Gutes und Wichtiges zu tun, ist sehr befriedigend.
Zweimal schon wurde ich unverhofft vom Jagdaufseher angefragt, ob ich Zeit hätte, mit der Drohne Rehkitze zu suchen. Eine Rehgeiss wurde von einem Auto erfasst und tödlich verletzt. Es war davon auszugehen, dass sich irgendwo in der Nähe des Orts, wo die tote Geiss gefunden wurde, Kitze befinden. Natürlich habe ich zugesagt und tatsächlich haben wir, mit grossem Aufwand, je zwei Kitze gefunden. Da es hier in der Region schwierig oder praktisch unmöglich ist, verwaiste Kitze in eine anerkannte Wildtierauffangstation zur Aufzucht zu geben, blieb schweren Herzens nur der Weg, den Gesetzgebung und Natur vorgeben. Mit noch mehr Wut und Trauer erfüllte es mich, als ich erfahren habe, dass in beiden Fällen Fahrerflucht begangen worden war. Gross war auch die Wahrscheinlichkeit, dass diese Kitze bereits früher im Jahr mit der Drohne von uns gefunden und vor dem Vermähen geschützt worden waren.
Wie viele Rehkitze hast du bereits gerettet und wie viele Stunden investierst du pro Jahr?
Im Jahr 2022 haben wir 32 Kitze gefunden, seit 2020 72.
2022 habe ich von meinem Wohnort Bubendorf aus über alle Einsatztage gerechnet etwa 70 Stunden aufgewendet. Viel mehr Zeit wurde aber in den drei Jahren zuvor für das Programmieren der Flugrouten aufgewendet. Es sind mittlerweile über 130 Felder programmiert. Den genauen Zeitaufwand für diese Programmierarbeit und Dokumentation kenne ich nicht. Schätzungsweise sind es 200, eher noch mehr Stunden. Mittlerweile sind fast alle Felder, die in Reigoldswil gemäht werden und in die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Rehgeissen ihre Kitze ins hohe Gras setzen, programmiert.
Seit Kurzem bist du Mitglied der Jagdgesellschaft Bärengraben und nimmst auch regelmässig an den Herbstjagden teil. Wie sind deine Eindrücke von der Jagd?
Früher hatte ich keinen näheren Bezug zur Jagd. Vielleicht so viel wie die meisten anderen Leute auch. Seit ich engeren Kontakt zu den Mitgliedern der Jagdgesellschaft habe, wurde ich oft angefragt und ermuntert, mir das mit der Jagd verbundene breite und tiefe Wissen anzueignen und die Jagdprüfung abzulegen. Tatsächlich habe ich intensiv darüber nachgedacht, den Vorschlag aus verschiedenen Gründen aber verworfen. Mir ist schon lange klar, dass die Regulierung des Wildbestandes, die Hege und Pflege des Waldes und des Jagdreviers notwendig sind. Das hat sich auch durch die inzwischen vertieften Einblicke in das Waidwerk nicht geändert. Im Gegenteil: Je mehr ich weiss und erfahre, umso vielschichtiger und interessanter wird es. Besonders freut mich, dass ich nun schon seit drei Jahren an den Jagdtagen als Treiber teilnehmen darf. Obwohl es manchmal sehr mühsam und schwierig ist, durch die Wälder von Reigoldswil mit ihren oft steilen Hängen, dem Unterholz und den Dornen zu gehen, macht es mir viel Spass. Wer darf schon querwaldein mit Stock und Warnweste bewaffnet durch den Wald streifen? Das ist beinahe schon ein Privileg.
Was mich immer wieder erstaunt und überrascht, ist, wie selten eine Kugel den Gewehrlauf verlässt und wie wenig Wild eigentlich erlegt wird. Ich erlebe die Jagd als sehr verantwortungsvolle, ja zurückhaltende Tätigkeit. Oft bin ich fasziniert von dem schon sehr alten Handwerk, dessen Jahrhunderte alten Traditionen, dem damit verbundenen Wissen über die Natur und ihre Zusammenhänge und dem dem Waidwerk eigenen Wortschatz. Aber auch, wie die forschende und erkennende Gegenwart mit all ihrem Wissen und ihren Herausforderungen Einzug hält und sich die Jäger darauf einstellen – müssen.
Beitrag Heimatkunde Reigoldswil zum Thema Jagd. Interview von Yannick Steffen mit Andreas Kofler, verfasst im März 2023
Die neuesten Beiträge:
- Unser Wald, Video mit Förster A. Minnig
- Sekundarschule, klein aber fein!
- Peter Roth, Fotos und Dokumente
- Chläppergässli, SRF-Radiobeitrag
- 150 Jahre gescheiterte Eisenbahn
- Banntag in Reigoldswil (mit neuem Film)
- Transkription alte Heimatkunde
- Historisches Reigoldswil (Videos)
- Pistolen-Schützen Rifenstein
- Ehrung Dominik Muheim
- Geschwister Weber
- Erinnerungen von Heinz Vogt
- Referat über Dr. Leo Zehntner
- Heimatkunde 1987 und 1871 digital
- Musik-Video von der Ruine Ryfenstein
- Entstehung Pfarrhaus (Videos)
- Details zur Wasseraufbereitung (Audio)
- Beatlemania in Reigoldswil (mit Musik)
- Aussensicht Rainer Vollkommer
- Sanierung Unterbiel 2023 (mit Videos)
- Feuerwehrverein Reigoldswil
- Primarschule Reigoldswil (mit Videos)
- Geldversorgung BLKB
- Zeitenwende Christoph Zehntner
- Reitverein Wasserfallen
- Am Bärgli (Kirchenorgelrevision)
- Ev. ref. Kirchgemeinde (mit Film)
- Hausarztpraxis Reigomed
- Urs Wagner, Handwerkskunst
- Max Schneider, Zeichner des Jura
- Landwirtschaft (mit Interviews)
- Wild und Jagd (mit Interviews)
- Wasserwerk WRZ
- Ruth Fontana
- Ärztliche Versorgung
- Kindergartentag 1957 (mit Film)
- Die Wasserfalle
- Alters- und Pflegeheim Moosmatt
- Haus zum Reifenstein als Zeitzeuge
- Erinnerungen von Metzger Reinharts Marianne
- Historisches zur Wasserfalle, Videos mit Rémy Suter
- Skiclub-Reigoldswil (Bericht, Videos)
- Josua Oehlers Realschulzeit
- Aussensicht Markus Vogt
- Flugzeugsammlung
- Föiflyber-Uhr 1991
- Musikverein Reigoldswil
- Banntagsschützen Reigoldswil
- SRF-Videos: Diräkt us - Unwetter - Gasleitung - Mini Schwiiz
- Bau Wasserfallenbahn 1956 (Film)
- Jonas Tschopps Gemeindevideo