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Sechs Fragen an einen erfahrenen Reigoldswiler Jäger  

Der Reigoldswiler Hans Probst, geb. 1945, absolvierte im Jahr 1981 die Jagdprüfung und ist seit 1984 Mitpächter der Jagdgesellschaft Bärengraben. Seine Begeisterung für die heimische Jagd und die Natur ist gross, vielseitig und ansteckend. Der Ausdruck «Generalist» ist für Hans als Jäger sehr treffend. Er kann sich für die Gedankengänge eines Jagdhundes genauso begeistern, wie für die anspruchsvolle Schwarzwildjagd oder die Maus, welche beim nächtlichen Ansitz auf dem Hochsitzdach scharrt. Seine Erfahrung und sein Wissen über das Wild und das Revier wird von den jüngeren Jägern und interessierten Dorfleuten sehr geschätzt.

Yannick Steffen: Du prägst die Reigoldswiler Jagd schon seit über 40 Jahren und zählst zu den Urgesteinen der Reigoldswiler Jagdgesellschaft. Woher kommt eigentlich der Name der Jagdgesellschaft? Wurden in Reigoldswil früher Bären gejagt?

Hans Probst: Mit Bärengraben wurde bei der Gründung der Jagdgesellschaft ein geläufiger Reigoldswiler Flurname gewählt. Der letzte Reigoldswiler Bär wurde um 1800 geschossen oder wie wir Jäger sagen, auf die Decke gelegt.

­Früher wurde die Wichtigkeit der Jagd mit den fehlenden Grossraubtieren wie Bär, Wolf und Luchs und der folglich fehlenden Regulierung begründet. Heute leben laut einem SRF-Beitrag vom Dezember 2022 zwischen 20 und 40 Luchse in den Kantonen Aargau, Solothurn und Baselland. Laut KORA erbeutet schon allein einer von ihnen 50 bis 60 Rehe im Jahr. Braucht es da die Jäger noch?

Als die ersten Luchse bei uns ausgesetzt und heimisch wurden, und ich gelesen hatte, was ein einzelner Luchs erbeutet, dachte auch ich an Konkurrenz. Doch dann merkte ich, dass die Rehe ihr Verhalten stark anpassten. Und weil bekannt ist, wie gross Luchsreviere sind, hatten wir zwar etwas weniger Rehe, aber die Artenvielfalt wurde so vergrössert. Während dem Nachtansitz auf Wildschweine sah ich gelegentlich Luchse herumstreifen. Und als ich während einer Gesellschaftsjagd einmal ein Pinselohr, wie der Luchs auch genannt wird, am Tage aus nächster Nähe beobachten konnte, wie er sich vor mir und meinem mindestens so erstaunten Hund wegdrückte, war ich mit den wunderbaren Katzen versöhnt.

Konkret zur Frage: Selbstverständlich braucht es die Jagd trotzdem noch. Das Rehwild muss für die Forstwirtschaft zwingend weiter reguliert werden, zudem wird Schwarzwild und Raubwild (vorwiegend Fuchs und Dachs) vom Luchs praktisch nicht geschlagen. Damit Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Verkehr und Wohnen am Dorfrand möglich sind, muss eine gewisse Anzahl Wild erlegt werden, um die Verbiss- und Wühlschäden, sowie Wild-Verkehrsunfälle in Grenzen zu halten.

Als Jäger übernehmen wir zudem viele weitere Aufgaben:
Seuchen und Krankheiten müssen genauestens beobachtet werden. Ich denke z.B. an die Tollwut in den 1980er bis 90er Jahren, als ich immer wieder kranke Tiere schiessen musste. Oder an die Tiere mit Räude. Fallwild, das heisst Verkehrsopfer müssen erlöst, geborgen und vielfach entsorgt werden. Wild, das durch Kälte, Krankheit, Hunger oder Alter eingeht, muss weggeräumt werden. Ausserdem sind die jagdlichen Einrichtungen, Hochsitze und Kanzeln, Salzpfähle, Wildzäune entlang gefährlicher Strassen etc. laufend zu unterhalten.

Die Jagd ist von vielen Werten und Grundsätzen geprägt. Im Fachjargon spricht man oft vom «waidmännischen» Jagen. Was versteht man darunter und was bedeutet für Dich «Jagen» oder «Jäger sein»?

Mit waidmännischem Jagen wird die ethische Einstellung des Jägers zum Wild unterstrichen. Zum Beispiel wird nur geschossen, wenn der Jäger zu hundert Prozent von einem guten Schuss überzeugt ist. Es gelten aber auch ungeschriebene Gesetze, z.B. soll man kein Reh im Lager oder keine Ente auf dem Wasser erlegen.

Waidmännisches Jagen soll Voraussetzung für einen Jäger oder eine Jägerin sein. Jäger und Jägerinnen sollen in erster Linie auch Heger und Pfleger sein. Wichtig ist ein guter Bezug zur Natur. Weiter gehören das Verhältnis zu den Mitjägern und die Kameradschaft dazu. Dann müssen die jagdgesetzlichen Grundlagen berücksichtigt werden. Wichtig ist mir auch die Pflege des Brauchtums. Waidgerechtigkeit setzt auch fachliches Können voraus, deshalb ist die Ausbildung und die spätere Praxis sehr wichtig.

Noch eine Aussage, die ich oft mache: Jagd ist kein Hobby, es ist eine Passion, letztendlich geht es auch ums Töten. Und Töten darf nie ein Hobby sein!

Aktivisten störten im Herbst 2022 mehrere Jagdtage im ganzen Baselbiet. Was für Gedanken kommen Dir dazu in den Sinn? Was hat sich im Vergleich zu früher verändert?

Früher waren die Menschen auf dem Land mehr mit der Natur verbunden als heutzutage. Die Jagd war viel verwurzelter in der Bevölkerung. Wurde ein Wildschwein erlegt, kam es auf den Tisch der Dorfbeiz und es wurde gefeiert.

Ein kritisches Hinterfragen von Tierschützern ist verständlich und auch gut. Oftmals sind die Beschuldigungen und die Kritik übertrieben, weil die Kenntnis und das Wissen fehlen. Denn Jäger gehen in der Regel respektvoll mit der Natur um.

Heimisches Wild ist auch eine nachhaltige Nahrungsquelle. Zum Fleischkonsum heute: Kann man es noch verantworten Tiere zu züchten, zu töten und zu essen? Darf man überhaupt noch Fleisch essen? Wer gerne Fleisch isst, muss nicht auf diesen Genuss verzichten. Das Wildfleisch ist eine Alternative zu den konventionellen Produkten. Denn die Tiere ernähren sich natürlich, bewegen sich viel und sind frei.

Zur Kritik an Treibjagden: Um die vorgegebenen Abschusszahlen zu erfüllen, sind die Treibjagden das effizienteste Mittel und die Beunruhigung im Revier ist gering. Wir haben die Gesellschafts-/Treibjagden gegenüber früher auf das allernötigste Minimum reduziert.

Jagen ist etwas Ursprüngliches. Die Digitalisierung macht aber auch hier nicht Halt. Was denkst Du über Wildkameras und Nachtzielgeräte? Ist das für Dich ethisch vertretbar?

Wildschweine sind eine Klasse für sich in Bezug auf die Jagd. Sie verlassen ihre Deckungen im Wald oder in Maisfeldern nur während der Nacht. So ist der Ansitz oder die Pirsch auf Sauen schwierig und stellt ganz andere Anforderungen an die Sicherheit. Da ist sehr viel Vorbereitung nötig, Spuren lesen, Wechsel kontrollieren, an geeigneten Orten Kirrungen (festgelegte Orte, wo Nahrung in kleinen Mengen ausgelegt wird, um Wildschweine anzulocken und zu bejagen) unterhalten. Um die Reduktion dieser Wildart zu ermöglichen, werden heute gegen eine entsprechende Bewilligung Nachtsicht- und Nachtzielgeräte und Wärmebildzielgeräte eingesetzt. Ohne solche Techniken wäre die Wildschweinjagd fast nicht mehr möglich. Durch den grossen Jagddruck, welcher von der Landwirtschaft und vom Kanton gefordert wird, sind die Sauen überaus vorsichtig geworden. Manchmal sind die Wildschweine mit ihren ausgeprägten Sinnesorganen schlauer als wir Jäger…

Wildkameras an geeigneten Orten bringen interessante Aufnahmen. So können die Bestände gut überwacht werden.

Wie stellst Du Dir die Jagd der Zukunft vor und was erwünschst Du Dir für sie?

Für die zukünftige Jagd erhoffe ich mir, dass es noch genügend junge Leute gibt, die sich für die Hege und Pflege des Wildes und der Natur die nötige Zeit nehmen können. Ich darf sagen, dass es in unserem Revier dafür gute Ansätze gibt, und dass wir sehr interessierte und aufgestellte jüngere Damen und Herren haben, die in der Ausbildung sind, oder die Jägerprüfung bereits bestanden haben. So kann ich mich nun ruhig aus der aktiven Tätigkeit in der Jagdgesellschaft zurückziehen und den Jungen Platz machen. Gerne möchte ich aber, soweit es mir die Gesundheit erlaubt, die Natur in Feld und Wald weiter geniessen.

Ich hoffe, dass den Baselbieter Jägern die Gesellschaftsjagden mit lautjagenden Hunden und der dazugehörenden Kameradschaft erhalten bleibt. Wenn dann auch noch die sehr gute Zusammenarbeit und die Gesprächsbereitschaft mit den Gemeindebehörden, Landwirten und dem Forst beibehalten werden kann, darf die Jägerschaft weiterhin auf das Verständnis der Bevölkerung vertrauen. Das ist zentral, denn die Jagd wird auch in Zukunft wichtig sein.

Beitrag Heimatkunde Reigoldswil zum Thema Wild und Jagd. Interview von Yannick Steffen mit Hans Probst-Scherrer, verfasst im Januar 2023