Newsletter-Anmeldung!

Sie möchten informiert werden, wenn neue Beiträge eingestellt werden? Dann melden Sie sich hier für unseren Newsletter an!


Interview mit Bio-Milchproduzent Daniel Steffen

Daniel Steffen bewirtschaftet den Betrieb Seilern seit dem Jahr 1988. Was bei ihm einst mit Handmelken begann, erledigt er heute vom Computer aus. Im Interview berichtet der gebürtige Emmentaler, wie er den landwirtschaftlichen Strukturwandel erlebte und was er über die künftige Entwicklung der Landwirtschaft denkt.

Yannick Steffen: Heute nimmst du Melkeinstellungen per Mausklick vor, früher hast du in den Emmentaler „Chrächen“ von Hand gemolken. Wie ist das Kuhstall-Ambiente im Vergleich zu früher?

Daniel Steffen: Auf meinem Lehrbetrieb haben wir die 12-14 Kühe zu dritt von Hand gemolken. Doch es gab schon in dieser Zeit Melkmaschinen. So wurden die Kühe auf dem elterlichen Betrieb wie auch an einigen meiner Arbeitsstellen bereits vor 40 - 50 Jahren maschinell mit Eimeranlagen gemolken. Auf dem Hof Seilern folgten dann im Laufe der Jahre die Schritte zur Rohrmelkanlage, dem Melkstand und vor wenigen Jahren zum Roboter. Dieser Wandel war enorm. Es fasziniert mich immer wieder, wie die Tiere mit der Technik zurechtkommen.

Die Atmosphäre im früheren Anbindestall war angenehm und ruhig. So ist es auch heute noch. Dank dem automatischen Melksystem können die Kühe heute aber fressen, liegen oder sich melken lassen, wann immer sie wollen. Diese Veränderung, welche eine weitere Verbesserung des Tierwohls bedeutet, gibt der Herde viel Ruhe und Zufriedenheit.

Mit den technischen Fortschritten ist die körperliche Belastung im Bauernberuf kleiner geworden. Welche Herausforderungen muss ein Landwirt heute meistern?

Es ist herausfordernd, Verantwortung zu tragen und jederzeit die Übersicht zu bewahren. Aufgrund des grösseren Viehbestandes ist die Verantwortung und somit auch die Belastung gestiegen. Der Zeitdruck hat deutlich zugenommen, da mehr Vieh durch weniger Personal betreut werden muss. Eine Arbeitskraft kümmert sich heute um durchschnittlich sechsmal mehr Tiere als zu Beginn meiner Berufszeit.  

Für mich als Landwirt ist es wichtig, im Umgang mit Tieren und Maschinen immer ein waches Auge zu haben. Krankheiten bei Tieren oder Störungen bei der Infrastruktur müssen frühzeitig erkannt werden, um grösseren Schaden zu vermeiden. Nicht immer ist es jedoch möglich, solche Probleme selbst zu lösen, deshalb ist es wichtig, vertrauensvolle Geschäftspartner zu haben.

Und übrigens: Trotz moderner Technik braucht es auch heute noch eine gute körperliche Kondition.

Während deiner beruflichen Laufbahn hat die landwirtschaftliche Branche einen grossen Wandel erlebt. Die Bedingungen haben sich massiv verändert. Stichwort Bauernsterben – Wie denkst du darüber und was hast du durch den Strukturwandel gelernt?

Das Land braucht die Bauern! Sie produzieren nicht nur Lebensmittel, welche in der Schweiz grösstenteils in Label-Qualität und als Regioprodukte angeboten werden, sondern sie pflegen auch die Landschaft, was wiederum dem Tourismus in unserem schönen Land zugutekommt. Diese Arbeit wird mit einem Teil der Bewirtschaftungsbeiträge abgegolten.

Der Strukturwandel der letzten Jahre war gross und für die meisten Betriebe eine beträchtliche Herausforderung. Wie bei anderen Gewerbetreibenden wurde er vom Markt und der Politik vorangetrieben.

Die Abschaffung der Milchkontingentierung nach ungefähr 30 Jahren (im Jahr 2009) war für die Milchproduzenten ein klares Signal für mehr Markt und weniger politischen Schutz. Es ist auch heute möglich, in der Landwirtschaft ein gutes Einkommen zu erzielen, vorausgesetzt, die Bewirtschaftungsfläche ist gross genug und die Gesundheit sowie die Freude an der abwechslungsreichen Arbeit sind vorhanden. Trotz dieser Zuversicht ist es wichtig, immer für Veränderungen offen zu sein, die Arbeiten hin und wieder zu hinterfragen und die Strukturen nicht unnötig zu zementieren.


Daniel Steffen

Die Zusammenarbeit ist eine gängige Überlebensstrategie. Hat sie sich auch in der Reigoldswiler Landwirtschaft etabliert?

Auf vielen Baselbieter Bauernhöfen haben zur Zeit der Industrialisierung einige Leute die Landwirtschaft aufgegeben und sich im Raum Basel beruflich neu orientiert. Das gab oft ausserkantonalen Familien die Möglichkeit auf einen freien Hof zu ziehen. Man musste sich hier deshalb mit Andersdenkenden auseinandersetzen. Aus meiner Sicht sind die Bauern in unserer Region deshalb offener als anderswo, was eine wichtige Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit ist. Unter den Reigoldswiler Landwirten wie auch mit Berufskollegen aus Nachbargemeinden funktioniert die Zusammenarbeit bestens, viele Maschinen sind dadurch gut ausgelastet. Arbeiten wie Mähdreschen, Grossballenpressen oder Holzen, für die oft teure Maschinen benötigt werden, werden auf den meisten Betrieben durch landwirtschaftliche Dienstleister erledigt.

Klimakiller Kuh – Wie siehst du das? Die Klimakrise und das Artensterben sind grosse Herausforderungen der heutigen Zeit. Die Landwirtschaft trägt eine grosse Mitverantwortung und ist somit auch Teil der Lösung. Was unternehmen die Reigoldswiler Bauernfamilien, um diesen Problemen entgegenzuwirken? Reicht das oder braucht es noch mehr?

Da im Grasland Schweiz aus topografischen Gründen grosse Flächen nicht ackerbaulich genutzt werden können, passen die Wiederkäuer perfekt in unsere Gegend. Sie setzen das Gras in wertvolle Nahrungsmittel um. Auf Flächen, die für den Ackerbau geeignet sind, sollten jedoch hauptsächlich Pflanzen für die direkte menschliche Ernährung angebaut werden. Eine vorwiegend pflanzliche Ernährung wäre gut fürs Klima, bedeutet aber auch, dass die Konsumierenden ihre Ernährung umstellen müssten.

Die landwirtschaftliche Forschung arbeitet seit einigen Jahren an Lösungen, um die Fütterung der Kühe zu verbessern, zum Beispiel mit Präparaten, die zugefüttert werden, oder mit der Züchtung von Futterpflanzen, welche die Methangasbildung im Pansen der Kuh verringern. Auch in der Rindviehzucht wird es möglich sein, Verbesserungen zu erreichen. Hier sind die Zuchtverbände gefordert.

Im Vergleich zu anderen Regionen gibt es in Reigoldswil viele Bäume und eine grosse Anzahl Biodiversitätsflächen. Trotzdem ist Verbesserungspotenzial vorhanden: Die Biodiversitätsflächen könnten zusätzlich aufgewertet und gefällte alte Bäume müssten durch junge ersetzt werden. Auf intensiv genutzten Flächen sollte auf eine optimale Hofdüngerausbringung geachtet werden. Es sollten nicht maximale, sondern optimale Erträge angestrebt werden.

Zur Bewältigung der Klimakrise kann die Reigoldswiler Landwirtschaft meiner Meinung nach im Bereich der Energie am meisten beitragen. Viele Geräte und auch Kleintraktoren könnten in nächster Zeit mit Solarstrom betrieben werden. Ebenfalls einen grossen Beitrag könnten die Landwirte im Bereich des Artenschutzes leisten, indem sie z.B. beim Grasmähen keine Mähaufbereiter mehr einsetzen, welche viele Kleintiere und Insekten töten.

Reigoldswil war in den 1990ern ein Pionier-Dorf des Biolandbaus. Wie sieht es heute aus? Was sagst du als langjähriger Biobauer zur Zukunftsidee «100 Prozent Biolandbau»?

Obwohl einzelne Betriebe die Biolandwirtschaft inzwischen aufgegeben haben, werden in Reigoldswil doch erfreulich viele Flächen biologisch bewirtschaftet. Die Bestrebungen müssen meines Erachtens nicht in Richtung 100 % Biolandbau gehen. Viel wichtiger ist, dass sich die Bio- und die ÖLN-Landwirte im Bereich Nachhaltigkeit verbessern. Eine weitere wichtige Bewirtschaftungsform ist die Demeter Bio-Produktion. Mit diesen drei Ökolandbauformen ist die Landwirtschaft gut positioniert und kann den Konsumentinnen und Konsumenten, welche unterschiedlich einkaufen, die gewünschten Produkte anbieten.

Beitrag Heimatkunde Reigoldswil zum Thema Landwirtschaft. Interview von Yannick Steffen mit Daniel Steffen, verfasst Anfang 2023