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Interview mit Lukas Straumann, dem Initianten des Ökohotspot Hörnlirain

Lukas Straumann leitet seit 2004 den Bruno Manser Fonds. Nebst seinem Engagement für den Regenwald kämpft er für mehr Biodiversität in der Landwirtschaft. Im Jahr 2020 rief er das Projekt Ökohotspot Hörnlirain ins Leben. Das Biotop für Vögel, Kleinsäuger, Amphibien, Reptilien und Insekten erinnert kaum mehr an ein landwirtschaftlich genutztes Feld. Was Straumanns Motivation und Botschaft an die Bevölkerung und insbesondere an die Landwirtschaft ist, erfahren wir im Interview.

Yannick Steffen: Der Ökohotspot Hörnlirain fällt auf: Ast- und Steinhaufen, Schürfflächen, Bäume und jede Menge Sträucher. Was hat dich motiviert, dieses Projekt zu realisieren?

Lukas Straumann: Ich konnte Anfang 2019 von meiner Familie einen alten Obstgarten mit Wiese und Weide am Hörnlirain übernehmen. Bald stellte ich fest, dass seltene Vogelarten wie Zaunammer und Grauspecht im Gebiet vorkommen und wollte das Gebiet mit neuen Ökostrukturen für diese Arten aufwerten – auch über meine Parzelle hinaus. Die beste Wirkung für die Biodiversität hatte ich mit der Neuanlage von Magerwiesen durch die Abschürfung von Oberboden. Als Imker wollte ich natürlich auch für meine Bienen das Blütenangebot vergrössern; im intensiv genutzten Kulturland finden die Bienen nach der Obstblüte ja oft kaum mehr etwas.

Weshalb in Reigoldswil?

Meine Grossmutter ist in Reigoldswil aufgewachsen, wo mein Urgrossvater Posthalter war und nebenbei auch noch etwas Land bewirtschaftete. Schon als Kind war ich oft im Hörnli, um bei der Kirschenernte zu helfen. Toll an Reigoldswil ist, dass im Kettenjura und am Jurafuss viele Gebiete mit einem hohen ökologischen Potenzial liegen, die ohne grossen Aufwand stark aufgewertet werden können.

Als Geschäftsführer des Bruno Manser Fonds engagierst du dich für den Natur- und Umweltschutz. Was sind die grössten Herausforderungen deiner Tätigkeit?

Wir sehen, dass die Natur weltweit unter Druck ist – seien es der tropische Regenwald, die Feuchtgebiete oder die artenreiche, kleinbäuerlich bewirtschaftete Kulturlandschaft. Wichtig ist, bei allen Projekten eng mit der lokalen Bevölkerung zusammenzuarbeiten, die an einer nachhaltigen Entwicklung interessiert ist. Oft werden Entscheidungen durch Regierungen oder in Konzernzentralen getroffen, ohne dass die langfristigen Konsequenzen für Natur und Menschen vor Ort genügend berücksichtigt werden – zum Beispiel bei Minenprojekten oder grossen Infrastrukturbauten wie Strassen und Staudämmen.

Die Zeit der landwirtschaftlichen Intensivierung nach dem zweiten Weltkrieg wird oft auch «die grüne Revolution» genannt. Revolutionär wirkt auch der Ökohotspot Hörnlirain. Möchtest du einen Gegentrend anstossen? 

Es freut mich natürlich, wenn das Projekt am Hörnlirain eine Ausstrahlung entwickelt – natürlich in sehr kleinem Rahmen. Für mich war es die Möglichkeit, als Landeigentümer ein neues Nutzungsmodell für meine Parzelle zu entwickeln mit einem stärkeren Fokus auf Obstbäumen und Honig, aber extensiverer Graswirtschaft. Dank kantonalen Ökobeiträgen ist das auch für den Bewirtschafter attraktiv, der auf Düngung verzichten muss und weniger oft mähen kann. Wenn wir das Artensterben stoppen wollen, müssen wir solche neuen Ansätze ausprobieren.


Lukas Straumann

Produktions- und Biodiversitätsflächen können sich konkurrenzieren. Ist es richtig, bei uns Schmetterlinge zu züchten und die Produktion dadurch ins Ausland zu verlagern?

Ich sehe die direkte Flächenkonkurrenz nicht als grosses Problem an. In vielen Fällen sind die hochwertigsten Ökostandorte Grenzertragsflächen, wo sich eine intensive landwirtschaftliche Produktion gar nicht lohnt. Wichtig ist, dass diese Gebiete nicht verganden, sondern weiterhin unterhalten werden. Besonders in der Bergzone hat die Schweiz eine hohe internationale Verantwortung, weil hier noch grosse intakte Insektenpopulationen leben. Schon kleine Änderungen in der Bewirtschaftung – beispielsweise die Düngung mit Gülle statt mit Mist – können Arten zum Verschwinden bringen. Hier ist wichtig, dass Bewirtschaftung und Naturschutz besser aufeinander abgestimmt werden. Natürlich sollten die verschiedenen Öko-Hotspots auch vernetzt werden und der Aufbau dieser ökologischen Infrastruktur benötigt etwas Fläche. Aber wir dürfen auch die positiven Effekte der Biodiversität für die Landwirtschaft – beispielsweise bei der Erosionsbekämpfung und der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit – nicht unterschätzen.

Auf Reigoldswiler Kulturland wurden zum Schutz verschiedener Tierarten bereits rund zwanzig Ast- und Steinhaufen erstellt. Was braucht es, damit es im Jahr 2030 zehnmal so viele sind?

In erster Linie braucht es einen neuen Blick auf diese wichtigen Ökostrukturen. Früher wurde alles weggeräumt und als «unordentlich» angeschaut. Heute wissen wir, dass Totholz- und Steinhaufen wichtige Unterschlüpfe für Säuger wie Hermelin und Igel, aber auch für Reptilien und Amphibien sind. Schon mit einem Asthaufen aus Baumschnitt im Garten lässt sich ein neuer Lebensraum für Kleintiere schaffen.

Beitrag Heimatkunde Reigoldswil zum Thema Landwirtschaft. Interview von Yannick Steffen mit Lukas Straumann, verfasst Anfang 2023