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Der Banntag in Reigoldswil
Der Banntag, auch bekannt als Bannumgang, ist ein alter Brauch mit traditionellem Flair, welcher hauptsächlich im Kanton Baselland, aber auch im Furttal, dem Zürcher Unterland und im solothurnischen Schwarzbubenland jährlich gepflegt und gelebt wird. Der Banntag hat bei uns in Reigoldswil eine lange und interessante Geschichte und wurde erstmals am 12. Mai 1833 durchgeführt. Dies bekundet auch das Heimatkundebuch Reigoldswil von 1987. Dort ist auch der Brauch und dessen Bedeutsamkeit bis in die 80er-Jahre dokumentiert. Weitere Informationen dazu finden Sie hier, und am Ende des Beitrages einen Kurzfilm aus den 1950er-Jahren.
Heute wird diese alte Tradition immer noch von den Reigoldswilerinnen und Reigoldswilern sowie auswärtigen Gästen gefeiert, wenn auch nicht mehr in ihrem ursprünglichen Kontext.
An vielen Orten im Baselbiet werden im Frühling an Auffahrt die Gemeindegrenzen abgelaufen. Zu Beginn war dies auch in Reigoldswil so. Doch nach längeren Unterbrüchen während der Kriegsjahre wurde 1950 beschlossen, dass der Banntag in Reigoldswil weitergeführt werden, aber zeitgleich mit dem Herbstmarkt stattfinden soll. Der Grund für diesen Entscheid war, dass die Reigoldswiler Banntägler nicht durch das im Frühjahr hohe und wüchsige Gras laufen sollen. Ein plausibler Grund und ein vernünftiger Entscheid, welcher bis heute von den Banntäglern respektiert wird, obwohl die Dörfer um Reigoldswil ihren Bannumgang an Auffahrt begehen.
Da der Reigoldswiler Bann relativ gross ist und sehr stark kupiertes Gelände aufweist, wäre es unmöglich, den ganzen Grenzverlauf an einem Tag abzulaufen. Aus diesem Grund wurde der Bann in vier Rotten wie folgt eingeteilt:
Zwei Rotten Wasserfallen:
- Gämpis-Bürten-Wasserfallen
- Sixfeld-Dünnlenberg-Ankenballen-Wasserfallen
Zwei Rotten Widentäli:
- Baberten-Rifenstein-Bütschen-Lucheren-Widentäli
- Gillen-Binzenberg-Strick-Widentäli
Jeweils am Sonntagmorgen des Banntages werden die Reigoldswilerinnen und Reigoldswiler pünktlich mit mehreren Salven aus Vorderladern vom Gillenholz her in Richtung Dorf durch die Banntagschützen, welche hier auch schon vorgestellt wurden, geweckt. Dies ist ebenfalls eine Tradition, welche seit 1980 besteht und aus dem Banntag nicht wegzudenken ist. Während des Abschreitens der Banntagsroute werden auch immer wieder Salven abgefeuert und so der Standort der jeweiligen Route markiert.
Banntagschützen beim Einschiessen des Banntags 2023
In der Vergangenheit trafen sich die Banntägler um 09:00 Uhr vor dem Gemeindezentrum und marschierten mit musikalischer Begleitung in Richtung Oberbiel zum Pfarrhaus (Pfarrhof). Heute ist der Treffpunkt direkt bei der Kirche Reigoldswil. Der Pfarrer oder die Pfarrerin gestaltet die Banntagspredigt meist inhaltlich zu den Themen Grenzen und was Grenzen im Allgemeinen bedeuten.
Nach der Morgenandacht marschiert man mit musikalischer Begleitung zum Altersheim Moosmatt. Nach der Ansprache durch den Gemeindepräsidenten starten die Banntägler. Jedes Jahr stehen zwei Rotten, alternierend Wasserfallen und Widentäli, auf dem Programm. Nach zwei Jahren hat man den gesamten Reigoldswiler Bann abgelaufen. Die Marschzeit beträgt je nach Rotte 3 – 4 Stunden mit einem Znünihalt in der Halbzeit.
Ansprache durch den Gemeindepräsidenten Fritz Sutter 2023
Der Banntag ist auch ein gesellschaftlicher Anlass und bietet immer wieder die Gelegenheit, mit Menschen Gespräche zu führen, denen man nicht täglich begegnet. Die Rottenführer vermitteln während des Abschreitens der Grenze auch stets wertvolle Informationen über die Natur (Jagd, Wald, Wasser, Gestein etc.), welche viel Aufmerksamkeit finden. Oft werden auch interessante Fragen gestellt. Am Banntag lernt man die Heimat auch ausserhalb des Dorfkerns und der Quartiere und damit auch die geschichtlichen Wurzeln von Reigoldswil kennen.
Nach den Strapazen werden die Banntägler beim Mittagshalt bewirtet. Bei dieser Gelegenheit haben die Vereine die Möglichkeit, sich beim Betreiben der Festwirtschaft zu präsentieren und gleichzeitig einen Batzen in ihre Kasse zu verdienen. Nach dem Mittagessen, dem Café Avec und dem feinen Kuchenbuffet geht es, meist nicht auf dem direkten Weg, heimwärts ins Dorf.
Gulaschkanone (Feldküche) von Martin Weber mit den Helfern der Männerriege
Als regelmässiger Banntägler seit 50 Jahren, sei es als Helfer in der Festwirtschaft oder beim Abschreiten der Grenze, stelle ich fest, dass sich in den letzten Jahrzehnten am Banntag doch einiges verändert hat. So zum Beispiel begleitet der Musikverein die Banntägler nicht mehr zur Banntagspredigt, sondern man trifft sich direkt in der Kirche. Da zurzeit leider auch immer weniger Banntägler den Brauch und die wertvolle Tradition pflegen, gibt es jährlich nur noch eine Rotte.
Leider ist die Tradition des Banntags bei vielen, meist jüngeren Einwohnerinnen und Einwohnern im Moment nicht mehr so präsent. Es bleibt aber die Hoffnung, dass dieser Brauch mit seiner ganzen gesellschaftlichen Ausstrahlung und seinem Bezug zur Natur, zu Land und Region wieder auflebt und in Zukunft wieder auf grösseres Interesse stösst.
Beitrag zum Thema Banntag, von Christoph Dietrich, festgehalten im September 2023
Als kleine Ergänzung zwei zusammengesetzte Banntags-Kurzfilm von Hans Probst-Grossglauser aus den 1950er Jahren: